Am 26. Oktober 1737 vernichtete einer der großen Stadtbrände, die in der Geschichte Attendorns über unsere Stadt wüteten, 176 Häuser in Attendorn. Diese Zahl meldet die Franziskaner-Chronik im Attendorner Pfarrarchiv. *1)
Obwohl die Familie des Attendorner Juden Abraham selbst großen Schaden durch die morgens um 5 Uhr in der Vergessenen Straße ausgebrochene Feuersbrunst hinnehmen musste, und obwohl dem Abraham von offizieller Seite keinerlei Vorwurf als Brandverursacher gemacht wurde (zumal die Familie des Abraham vermutlich nicht in der Vergessenen Straße gewohnt hatte) stand für viele Attendorner fest: „Schuld am Stadtbrand ist der Jude Abraham!“ Und so fanden sich einige Bürger zusammen und statteten der Familie Abraham einen „Besuch“ ab.
In einem Eintrag des Archivs des Freiherrn von Fürstenberg-Herdringen vom 19. November 1737 *2) heißt es:
Seite 292
1737 November 19 (Attendorn)
In Attendorn haben sich einige Bürger und junge Burschen zusammengerottet und sind, mit Stangen, Gabeln, Achsen dergleichen Instrumenten bewaffnet, „undt zu des dahier sich einige Zeith wohnenden Juden Abraham seiner unterhabender, und bey jüngsterer fewersbrunst mehreren theilß mit abgebrannter behausung sich hinverfügt, daselbsten eigenthätlich et tumultuarie die Thür auffgeschla-gen, den von stroh gemachten obdach heruntergerissen, undt dergleichen thätlichkeiten mehr verübet.“
Da die Horde bei diesem Überfall vom Magistrat nicht gestört wurde, hat der Amtsverwalter es für erforderlich gehalten, die an der Tat Beteiligten vorzuladen. Hierzu hat der Erbdroste Freiherr von Fürstenberg die Bestrafung von jeweils 20 Goldgulden für jeden ausgesprochen, der sich noch ein einziges Mal am Hause des Juden Abraham vergreifen sollte.
Mit dieser Verfügung wurde der Gerichtsdiener zum Hause des Juden geschickt und fand dort folgende Personen an: Notar Engels, Hermann Dingerkus und dessen Sohn Stefan Dingerkus, Johannes Esling, Johann Eberhard Rümher, Peter Sommer, Franz Zeppenfeld, Stefan Keespe, sodann die jungen Burschen Peter Hundt, Christoph Maiworm, Johannes Hüser und Johann Eberhard Nolpe.
Die Horde hätte dann zunächst innegehalten, dann aber das Zerstörungswerk fortgesetzt und das Holz vom Hause gerissen. Der Notar Engels hätte die Verfügung des Erbdrosten in seine Tasche gesteckt und dann behauptet, er wisse nicht, wo sie abgeblieben wäre.
Da es sich bei der Familie des Juden Abraham jedoch um „vergleidete“ Juden handelte – die also über einen vom Kurfürsten ausgestellten Geleitbrief zum Schutz verfügten – kam es per Dekret des Kurfürsten Clemens August von Köln vom 1. April 1738 zu einer Gerichtsverhandlung vor dem Gogericht Attendorn. Unter Androhung schwerer Strafen forderte der Amtsverwalter Dr. Johann Gottfried Bresser die Einwohnerschaft Attendorns auf, sich zukünftig jeglicher Gewalt gegenüber den Juden zu enthalten und ihnen äußerst korrekt zu begegnen.
Der Dechant und Pfarrer Höynck wurden angewiesen, diese Verfügung von der Kanzel aus bekannt zu machen.
Diese Gerichtssache zog sich von April 1738 bis Ende September 1738 hin und endete für die Juden Aaron Heyman und Abraham Jacob mit einem Sieg vor Gericht. Zum einen bekamen sie die Erlaubnis zum Wiederaufbau ihrer abgebrannten Häuser. Außerdem wurde genehmigt, dass beide Familien bis zum Wiedereinzug in ihre Häuser in anderen Häusern untergebracht werden dürfen.
Allerdings nicht unter einem Dach mit Christen…
Den Verlauf der Gerichtsverhandlung *3) können Sie sich hier herunterladen:
Quellen:
*1) Attendorn, Schnellenberg, Waldenburg und Ewig. Brunabend, Pickert, Boos., 2. Auflage, 1958
*2) Akte AFH 5303 des Archivs des Freiherrn von Fürstenberg-Herdringen
*3) Archiv des Freiherrn von Fürstenberg-Herdringen, AFH 5421, Auswertung: Stadtarchiv Attendorn, Otto Höffer,
2016
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