Jom Kippur ist „Sühnetag“ und „Versöhnungsfest“ zugleich und der wichtigste jüdische Feiertag. Ein Tag des Fastens und des Betens um Vergebung der Sünden gegenüber Gott und den Mitmenschen.
Der bedeutendste der Zehn Tage nach Rosch ha Schana ist der letzte: der Versöhnungstag, Jom Kippur. Er ist der höchste jüdische Feiertag. Er wird von einem Sonnenuntergang bis zum anderen 25 Stunden lang mit Fasten und Beten begangen. Der John Kippur ist ein Tag strenger Enthaltsamkeit und Konzentration.
Er beginnt wie alle jüdischen Feste am Vorabend. Nach einem letzten Mahl versammelt sich die Gemeinde in der Synagoge. Die Vorbeter tragen weiße Gewänder, den „Kittel“, das Sterbekleid des Juden, und weiße Kopfbedeckungen. Der Gottesdienst beginnt mit dem „Kol nidre“, einem der ergreifendsten Gesänge der Synagoge. Das Kol nidre war ursprünglich nur eine Melodie; erst später kam ein Text hinzu, dessen Bedeutung für Nichtjuden schwer verständlich ist und nicht selten zu diskriminierenden Fehldeutungen benutzt wurde. Kol nidre, d.h. „alle Gelübde“, die jemand unwillentlich geschworen hat, sollen bereut, aufgelöst und ungültig sein. Man nimmt an, dass dieses Gebet vor allem an die Zeit der spanischen Inquisition anknüpft, als die Juden unter Todesdrohungen gezwungen wurden, ihrem Glauben abzuschwören. Das „Kol nidre“ sollte sie von dem demütigenden Schwur befreien und wieder in das Volk Israel eingliedern. Das Gebet schließt mit großer Zuversicht: „So wird vergeben der ganzen Gemeinde der Kinder Israels, dazu auch dem Fremdling, der unter euch wohnt, weil das ganze Volk an solchem Versehen teilhat.“
Anders verhält es sich jedoch mit der Schuld, welche die Beziehungen zu den Mitmenschen belastet, denn - so sagt die Mischna: „Der Versöhnungstag kann nur Sühne bringen für die Sünden, die der Mensch gegen Gott begangen hat. Für Sünden gegen Mitmenschen kann der Versöhnungstag keine Sühne bringen, bis man vom Mitmenschen selbst Verzeihung erlangt hat.“
So gehören zum Versöhnungstag nicht nur Fasten und Gebet, sondern vor allem die Aussöhnung mit dem Nächsten, die in den zehn Festtagen vollzogen werden soll. Das über den ganzen Tag sich hinzuziehenden Fasten und Beten des Jom Kippur schließt mit einer gottesdienstlichen Versammlung, Neila genannt, „Schließung der Tore“. Es erinnert an den Augenblick, an dem in Jerusalem die Tore des Tempels geschlossen wurden. Geschlossen werden nun die „Tore der Verzeihung und Buße“, und der Bußfertige wird entlassen mit der Zusicherung, dass sein Name verzeichnet ist im „Buch des Lebens“. So heißt es im Schlussgebet: „Du gibst die Hand den Missetätern, deine Rechte ist ausgestreckt, zu empfangen die Rückkehrenden.“
Der Versöhnungstag endet mit einem lang anhaltenden Ton des Schofar, der das Gefühl einer endgültig vollzogenen Versöhnung vermittelt.
Quellen:
- ""Von Bar Mizwa bis Zionismus - Jüdische Traditionen und Lebenswege in Westfalen" (Jüdisches Museum Westfalen, Dorsten, Verlag für Regionalgeschichte Bielefeld, 2007)
- "Der Jüdische Kalender 2016-2017" (34. Jahrgang, Ölbaum Verlag)
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