„Rosch ha Schana“ (wörtlich: „Haupt des Jahres“) ist ein zweitägiges jüdisches Neujahrsfest. Und der große Gerichtstag Gottes – nicht nur über die Juden, sondern über alle Völker und Menschen. Die zehn Bußtage enden am „Jom Kippur“.
Der jüdische Kalender kennt zwei Jahresanfänge. Durch sie wird an die beiden großen Anfänge der Geschichte der Menschheit und der Geschichte Israels erinnert. Im Frühjahr, am 15. Nissan, dem Pessachfest, feiert Israel den Auszug aus dem Sklavendienst in Ägypten als das Datum seiner Befreiung und Volkwerdung. Sieben Monate später, am 1. Tischri (im September), feiern die Juden nach altbabylonischer Tradition den Beginn des bürgerlichen Jahres als Tag der Weltschöpfung und der Erschaffung Adams.
Im Judentum hat der Jahresbeginn eine tiefe Bedeutung als Neuanfang, als Chance der Umkehr zu Gott (hebr. teschuwa) und der Versöhnung mit den Mitmenschen. Der Beginn des neuen Jahres ist die Zeit der Rechenschaft und steht ganz im Zeichen der Buße. Zehn Tage lang, von Rosch ha Schana, dem ersten Tag als dem „Haupt des Jahres“, bis zum Jom Kippur, dem "Tag der Versöhnung", steht der Mensch vor dem Richterstuhl Gottes. Deshalb werden diese Tage auch die „Furchtbaren Tage“ genannt (jamim norajim): „Am Neujahrstag wird es geschrieben und am Versöhnungstag wird es besiegelt, wie viele vergehen, wie viele entstehen, wer leben wird und wer sterben..., wer in Freuden, wer in Leiden, wer arm, wer reich, wer sinkt, wer steigt. Aber Umkehr, Gebet und Liebeswerke wenden das Böse des Verhängnisses ab“ (aus dem Abendgebet von Rosch Haschana).
Deshalb begrüßt man sich zu Neujahr mit dem Wunsch: „Zu einem guten Jahr mögest du eingeschrieben werden“ - nämlich in das „Buch des Lebens“. Zum Zeichen der Hoffnung auf „ein gutes und süßes neues Jahr“ taucht man bei der festlichen Abendmahlzeit ein Stück Apfel in Honig und vermeidet an diesem Tag den Genuss saurer und bitterer Speisen.
Der Neujahrstag ist nicht nur der Tag der Erinnerung (jom ha-sikkaron) und des Gerichtes, sondern auch der „Tag des Lärmblasens“ (jom t‘ruah), wie es das Buch Numeri (29,1) vorschreibt. Der Vorbeter verwendet dafür ein Widderhorn, den „Schofar“, dessen raue Töne gleichsam ein „Weckruf für Israel“ sein sollen. Es ist ein Gebot, an Rosch ha Schana den Schofar zu blasen, so wie es religiöse Pflicht ist, an diesem Tag den Schofar zu hören, der an das „Lärmhorn“ am Sinai erinnern soll, als Gott seinem Volk die Zehn Gebote gab. Gleichzeitig erinnert das Widderhorn an die Geschichte von der Bindung Isaaks (Buch Genesis Kap.22). Abraham glaubt, Gott fordere von ihm die Opferung seines Sohnes als Beweis seines uneingeschränkten Gehorsams. Aber ein Engel gebietet ihm Einhalt und zeigt ihm einen Widder, der sich mit seinen Hörnern im Gesträuch verfangen hat. Das Tieropfer tritt seitdem ab die Stelle des Menschenopfers, das in archaischen Religionen üblich war. Nach der Zerstörung des zweiten Tempels im Jahr 70 wurden auch die Tieropfer abgelöst: durch das „Opfer der Lippen“, durch das Gebet.
Moses Maimonides hat das biblische Gebot des Schofarblasens gedeutet. Der Schofar sagt denen, die es hören: „Erwacht, ihr Schläfer, aus eurem Schlaf... und denkt über eure Taten nach. Gedenkt eures Schöpfers und kehrt zu ihm in Reue zurück. Seid nicht solche, die die Wirklichkeit versäumen, weil sie Schatten nachjagen und ihre Jahre in der Suche nach eitlen Dingen verschwenden, die nicht erlösen und keinen Gewinn bringen. Sorgt euch um euren Seelen und achtet auf Handlungen. Ein jeder verlasse seine falschen Wege und seine unrechten Gedanken und kehre zurück zu Gott, damit er sich eurer erbarme.“ (Hilchot t‘schuwa 3,4).
Quellen:
- ""Von Bar Mizwa bis Zionismus - Jüdische Traditionen und Lebenswege in Westfalen" (Jüdisches Museum Westfalen, Dorsten, Verlag für Regionalgeschichte Bielefeld, 2007)
- "Der Jüdische Kalender 2016-2017" (34. Jahrgang, Ölbaum Verlag)
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